Eine Million Euro wiegt 10,2 Kilo
Mit dem richtigen Businessplan lässt sich prima von den Großen lernen: Ein Ratgeber zeigt, wie man zu mehr als einem Gratisurlaub kommt.
»Zeit Online« war empört: Das Antikorruptionsgesetz, das der Deutsche Bundestag 2014 verabschiedete, um mit elfjähriger Verspätung einer Uno-Forderung nachzukommen, sei ein Witz, »ein schlechter Käse – viel Luft, wenig Substanz.« In ihrem Buch »Probier's doch mal mit Korruption« kommen Roland Spitzlinger und Julia Draxler zu einem ähnlichen Ergebnis; sie aber jubeln: »In Deutschland macht Regieren eben noch richtig Spaß.«
Es geht den beiden nämlich nicht um den Kampf gegen illegale Abzockerei; sie wollen der Korruption zu dem ihr zustehenden Status, einem »Platz an der Sonne«, verhelfen. Nicht, dass bestochen und abkassiert werde, sei gesellschaftlich anstößig, sondern dass so wenige mitmischen könnten. Dabei ist es so einfach, sagen sie: Als wir klein waren, haben wir alle Spielregeln – von der situativen Korruption über Patronage bis hin zum Lobbyismus – beherrscht, nun müssten wir das Kind in uns nur wieder freilegen. Wenn man Korruption als Schenken und Beschenktwerden definiert, klappt der Perspektivwechsel problemlos.
Die AutorInnen kennen sich im Thema aus: Die Künstlerin und Kunstvermittlerin Julia Draxler und Roland Spitzlinger, vormals Wirtschaftsforscher und Referent der Grünen im österreichischen Parlament, sitzen im Vorstand des Wiener Instituts für angewandte Korruption, das laut Website Korruption sammelt, dokumentiert und vermittelt (www.ifak.at). Mit ihrem satirischen Ratgeber gelingt ihnen diese Vermittlung bravourös – Korruption wird für den Laien, die Laiin spielerisch nachvollziehbar. Lustiger kann Aufklärung kaum sein.
Ihren Faktenreichtum präsentieren die beiden auf 320 Seiten. Fröhlich blättern sie darin Skandal um Skandal auf den Tisch, um bewährte Taktiken zu erklären und auf Vorbilder wie den Ex-Banker Josef Ackermann, den Kärnter Karl-Heinz Grasser (der »schönste Exfinanzminister weltweit«, der 60.000 staatliche Wohnungen privatisierte) oder den Griechen Antonis Kantas aufmerksam zu machen. Der Exrüstungsvizechef im Verteidigungsministerium konnte sich vor dem Untersuchungsausschuss ob der schieren Menge einfach nicht mehr an alle Schmiergeldzahlungen erinnern. »Von Männern mit solchen Nehmerqualitäten können wir viel lernen.« Bei den Managern des US-Konzerns Halliburton ist sogar ein Fernstudium möglich: Dank www.halliburtonwatch.org kann man deren Vorgehen am Computer verfolgen, »um ja keine ihrer erstaunlichen Geschäftsideen zu versäumen«.
Zielgebiet definieren, Kontakte knüpfen, anfüttern, bestechen, Druck machen, Beute verteilen, einen Joker im Ärmel haben. Schritt für Schritt zeigen Spitzlinger und Draxler, wie man rankommt an den Korruptionskuchen, bei dem es weltweit immerhin um 300 Milliarden Euro geht. Von der Typberatung über die Karriereplanung bis hin zu den Themen Businessplan und Krisenmanagement findet sich in dem Buch alles, was zu einem guten Ratgeber gehört. Auch die Preise von Offshorekonten und die bewährtesten Anwaltskanzleien werden verraten. Und am Ende, als Bonusmaterial, gibt es noch eine Anleitung zum Korrupt-und-glücklich-Sein, mit erprobten Entspannungsmethoden und Schuldneutralisierungstechniken.
Es handelt sich bei den vorgeschlagenen Betätigungsfeldern nicht nur um so hochkarätige wie das Baugewerbe, den Rüstungssektor, die FIFA-, Pharma- und Finanzwelt; auch gut gepflegte Kontakte zur kleinen Behörde vor Ort können hilfreich sein, wenn mal kurz Acker- in Bauland umgewidmet werden soll oder einfach kein Parkplatz zu finden ist. Nebenbei erfahren wir zudem ganz Praktisches, etwa dass eine Million Euro in Hunderterscheinen 10,2 Kilo wiegt – »plus Koffer kommt da schnell ein Gewicht von 15 Kilo zusammen. Wenn Ihnen das zu schwer ist, nehmen Sie halt einen Trolley.«
Alle Beispiele – vor allem aus Österreich und Deutschland, aber auch aus der Schweiz – sind real, die Fakten werden mit Studienergebnissen von Organisationen wie Transparency International, der EU, dem BKA oder dem Friedensforschungsinstitut Sipri unterfüttert. Das erklärt auch die 1032 Fußnoten, die fast alle zum Weiterlesen im Internet einladen. Dass die AutorInnen das Thema Korruption nicht mit Empörung angehen, ist wunderbar, das Lachen befreit. Wer also auch gern ein Jahreseinkommen von 250.000 Euro hätte und seinen Mallorca-Urlaub nicht mehr selbst zahlen will, dem sei das Buch wärmstens empfohlen.
Roland Spitzlinger, Julia Draxler: »Probier's doch mal mit Korruption! Die Erfolgsgeheimnisse der Vettern, Freunderln und Amigos«. Riemann Verlag. München 2014. 320 Seiten. 15 Euro.
© Brigitte Matern, erschienen in WOZ Nr. 12, 19. März 2015, und auf seemoz, 25. März 2015